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Endlich bestätigt: IV schiebt Menschen mit Behinderungen in die Sozialhilfe ab und saniert sichStudie BSV: Analyse der Übertritte von der Invalidenversicherung in die Sozialhilfe

Was Inclusion Handicap schon lange kritisierte und vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) stets abgestritten wurde, hat eine am 17. November 2020 publizierte Studie nun endlich bestätigt: Menschen mit Behinderungen werden zunehmend in die Sozialhilfe abgeschoben. Die Sanierung der IV findet zu einem bedeutenden Teil auf Kosten der Versicherten statt.

Der Spardruck, diverse IV-Reformen und eine strengere Praxis verfehlen ihre Wirkung nicht. Eine davon: Zahlreiche Menschen mit Behinderungen werden in die Sozialhilfe abgeschoben. Inclusion Handicap kennt diese Problematik seit längerem, unter anderem durch die Tätigkeit in der Rechtsberatung. Von Seiten des BSV und der IV-Stellen wurde die Verlagerung in die Sozialhilfe stets abgestritten, da es keine Erhebungen dazu gab. Diese Lücke wurde durch eine Studie, die das BSV in Auftrag gab, nun aber endlich geschlossen. Sie zeigt auf:

  • Die Anzahl Versicherter, die vier Jahre nach der IV-Anmeldung in der Sozialhilfe landet, stieg zwischen der Kohorte 2006 und der Kohorte 2013 um rund einen Viertel! (Die Kohorte ist eine Gruppe von Versicherten, die sich in einem entsprechenden Jahr – hier 2006 und 2013 – bei der IV angemeldet hat und dann über mehrere Jahre beobachtet wurde).
  • In absoluten Zahlen fällt die Zunahme noch viel deutlicher aus: Während von der Kohorte 2006 vier Jahre später 3’620 Personen Sozialhilfe bezogen haben, sind es von der Kohorte 2013 insgesamt 5‘700 Personen. Also rund 2‘100 Personen mehr.
  • Die Studienautoren berechnen: 1'650 Versicherte oder rund 29 Prozent aller «Übertritte in die Sozialhilfe» der Kohorte 2013 wären ohne die gesetzlichen Verschärfungen ab 2006 nicht passiert.

Extreme Reduktion bei den Anzahl Neurenten

Der Anteil der Versicherten, die sich bei der IV anmelden, aber bei der Sozialhilfe landen, nimmt also zu. Das Ziel der IV ist aber, möglichst viele Personen in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Falls dies nicht oder nur teilweise möglich ist, hätten die Versicherten Anrecht auf eine IV-Rente. Dies ist aber immer weniger der Fall.

Der Anteil der IV-Neurentnerinnen und -Neurentner nahm (bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum) sogar in absoluten Zahlen ab: Von den rund 42‘600 IV-Neuanmeldungen im Jahr 2005 bezogen Ende 2009 knapp 11‘000 eine Rente. Dies entspricht einem Anteil von rund 26%. In der Kohorte der 2014 angemeldeten Personen (51‘500) haben Ende 2018 7‘600 eine Rente bezogen (15 Prozent). Dies zeigt klar auf: Die IV saniert sich auf Kosten der Sozialhilfe.

Eingliederungserfolg bescheiden

Auch der Teil «Eingliederung» zeigt zwar eine Zunahme, ist aber nur sehr bedingt erfolgreich: Der Anteil Personen, die vier Jahre nach der Neuanmeldung bei der IV 3000 Franken monatlich oder mehr verdienen, steigt zwar von 31 Prozent (Kohorte 2006) auf 38 Prozent (Kohorte 2013). Die Eingliederungserfolge der IV müssen aber noch klar gesteigert werden, denn auch der Anteil der Personen, die vier Jahre nach der Anmeldung ohne IV-Rente und ohne existenzsicherndes Erwerbseinkommen leben, ist von 40 Prozent (Kohorte 2006) auf 43 Prozent (Kohorte 2013) gestiegen.

Die IV-Weiterentwicklung, die 2022 in Kraft treten wird, macht hier einen Schritt in die richtige Richtung. Für Inclusion Handicap bestehen aber Fragezeichen, ob die getroffenen Massnahmen auch ausreichen werden.